ARCH+ features 12: realities:united und Andreas Ruby
Ausgehend von ihrer kooperativen Arbeitsweise hinterfragen realities:united die gegenwärtigen, hierarchisch organisierten Produktionsbedingungen von Architektur. Jan und Tim Edler plädieren stattdessen für ein zeitgemäßes, intersubjektives Verständnis von Autorenschaft im 21. Jahrhundert.

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Rendering: Adrian König/realities:united
Wie Tim und Jan Edler arbeiten, schilderte Nikolaus Kuhnert am Beispiel des Zürcher Toni-Areals. realities:united war dort für die Lichtplanung zuständig und organisierte die Räume durch die Lichtführung letztendlich völlig neu. Die Arbeitsweise der beiden Edlers sei prototypisch für „eine Architektur, bei der es nicht mehr um das eigene Ich geht, sondern um die gemeinsamen Ideen von mehreren“, so Architekturkritiker Andreas Ruby. Ein aktuelles Beispiel sei auch der Bahnhofsneubau in Stuttgart. Dessen äußeres Erscheinungsbild definierten im Wesentlichen die Lichttropfen von Frei Otto.

Im Bild: Jan und Tim Edler, Andreas Ruby
Die Vielschichtigkeit der Autorenschaft manifestiert sich deutlich in den Projekten von realities:united: Im Kunsthaus Graz beispielsweise, dessen Medienfassade wie ein „architektonisches Display“ funktioniert, so Jan Edler. Oder im Entwurf „NIX“, einem Projekt von COOP HIMMELB(L)AU, in dem ein Computer mit leeren Büros spielen darf; sowie im Projekt „Flussbad“, das alternative Nutzungen für die Museumsinsel in Berlin entwickelt (Bilder links und ganz oben).

Rendering: realities:united
Auf die Ambivalenz architektonischer Großprojekte weisen realities:united mit BIG VORTEX hin, einem Projekt in Kooperation mit der Bjarke Ingels Group BIG. Ausgeschrieben war ein "Verpackungswettbewerb" für den Neubau einer Müllverbrennungsanlage in Kopenhagen. BIG sah vor, die Technik in einen Berg zu packen und auf dessen Dach eine Grünfläche zu installieren, die im Winter als Skipiste genutzt werden kann. "Nachdem BIG der Anlage den Schornstein geklaut hatte, wollten wir darauf hinweisen, dass es den Rauch noch gibt", so Tim Edler. Im Entwurf von realities:united wirft der Schornstein seine Gase nun als Rauchringe aus, in der der Anteil an "gutem" Kohlendioxid nachts grün eingefärbt wird, der Rest rot.

> BIG Vortex - A Building-Site Art Installation

Im Bild: Tim Edler im Gespräch mit Anh-Linh Ngo
„Wie geht man um mit Ingenieuren, die Ideen haben? Inwieweit ist der Architekt bereit, Ideen, die nicht von ihm kamen, zu akzeptieren?“ fasste Nikolaus Kuhnert abschließend die zentralen Fragen zusammen. Teilweise akzeptiere auch die Bauherrschaft die Ingenieure nicht, die gemeinsam mit den Architekten einen Wettbewerb gewonnen haben. Ein zentrales Thema der Frage nach Autorenschaft in der Architektur sei daher die Frage nach den Möglichkeiten, die tradierten Arbeitsweisen aufzubrechen.

Im Bild: Jan Edler im Gespräch mit Nikolaus Kuhnert.
Alle Fotos: David von Becker
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